Die Erfindung der Brille war ein großer kultureller Fortschritt für die Menschheit:
Anfangs konnten nur konvexe Sehhilfen zur Kompensation der Alterssichtigkeit hergestellt werden. Erst mit Hilfe der Brille konnten gewordene Gelehrte weiterhin lesen und schreiben. In weiterer Folge, etwa um die Mitte des 15.Jahrhunderts, wurden auch konkav geschliffene Gläser zur Korrektion der Kurzsichtigkeit gefertigt.
Nach 700 Jahren Entwicklung ist es für uns heute selbstverständlich, Brillen in verschiedensten Qualitätsklassen käuflich erwerben zu können.
Dies war nicht immer so - in früheren Zeiten waren Sehhilfen kleine Kunstwerke des Brillenmacherstandes. Aber auch heute noch gibt es Unterschiede zwischen einer Qualitätsbrille und einem billigen Sehbehelf. Ein verantwortungsbewußter Fachoptiker wird im Vordergrund seiner Tätigkeit immer das gute Sehen seiner ihm anvertrauten Kunden haben.
DAS ALTERTUM
Im Altertum war es üblich, alle neuen Errungenschaften künstlerisch in Wort und Bild darzustellen. Von Sehhilfen irgendeiner Art ist jedoch nichts bekannt.
In Griechenland wurden um die Zeit von 2000 v.Chr. polierte Halbkugeln aus Quarz bzw. Glas gefertigt, mit denen sich Schrift vergrößern läßt. Nach derzeitigen Wissen sind diese Halbkugeln aber als Schmuckstücke für Schwerter, Zepter und Kleidung verwendet worden. Die vergrößernde Wirkung blieb für die Menschen dieser Zeit ungenutzt.
Marcus Tullius Cicero (106-43 v.Chr. römischer Rechtsgelehrter, Politiker und Schriftsteller) klagte in einem seiner Briefe über die Abnahme des Sehvermögens im Alter. Er schrieb, daß ihm nichts weiter übrig bliebe, als sich von Sklaven vorlesen zu lassen.
Vielfach bekannt sind die Aufzeichnungen des römischen Schriftstellers Gajus Plinius (23-79 n.Chr.). Er berichtet, daß Kaiser Nero die Kämpfe der Gladiatoren durch einen grünen Smaragd betrachtete.
Man vermutete lange, daß Nero damit eine Kurzsichtigkeit ausgleichen wollte. Später kam man zur Ansicht, daß Nero sich nur gegen das grelle Sonnenlicht in der Arena schützen wollte.
DIE WEGBEREITER
DER LESESTEIN
Um 1240 übersetzte Erazm Golek Vitello (1220-1280) das Buch des Arabers Ibn al Haitam ins Lateinische. Westeuropäische Mönche griffen den Gedanken Ibn al Haitam"s auf und fertigten überhalbkugelige Plankonvexlinsen. Diese erste Lesehilfe wurde mit ihrer ebenen Fläche auf Schriften gelegt, womit eine erhebliche Vergrößerung der Schriftzeichen erreicht wurde. Alterssichtig gewordene Klosterbrüder konnten wieder lesen!
Roger Bacon (1214-1294) erkannte die Bedeutung des Lesesteins, führte Verbesserungen durch und suchte nach einer wissenschaftlichen Erklärung.
Der Lesestein wurde in erster Linie aus Quarz oder Bergkristall gefertigt. Außerdem dienten Halbedelsteine, sogenannte Berylle, als Rohmaterial.
In diesem Zusammenhang tauchte der Name "Brille" zum ersten Mal auf: Eine aus Beryll geschliffene Linse wurde "Brill" genannt - zwei solch gefaßte Linsen bekamen den Namen "Brille".
Eine verbesserte Ausführung des Lesesteins findet noch heute als Visoletlupe Anwendung!
Ende des 13. Jahrhunderts begann man die Kugelsegmente flacher zu schleifen![]() Diese sogenannten Nietbrillen bestanden aus Eisen, Holz oder Horn und besaßen noch keinerlei Befestigung für den Kopf. Sie wurden einfach vor die Augen gehalten. Nietbrillen waren zu dieser Zeit sehr wertvoll und blieben, wie so viele Dinge dieser Zeit, den Angehörigen der gelehrten und reichen Stände vorbehalten. Die älteste derzeit bekannte Darstellung einer Brille befindet sich im Kapitelsaal der Kirche San Nicolo in Treviso unweit von Venedig. Tommaso di Modena portraitierte 1352 den Kardinal Hugo de Province mit seiner Nietbrille.
Eine weitere frühe Abbildung einer Nietbrille ist im Besitz des Wiener kunsthistorischen Museums. Das Gemälde wurde 1498 vom Meister von Großgmain geschaffen und zeigt den, in einem Buch lesenden, heiligen Augustinus. |
DIE BÜGELBRILLE
![]() Eine alte, sehr bekannte Darstellung einer Bügelbrille findet man am Flügelaltar der Kirche im deutschen Niederwildungen/Waldeck. Konrad von Soest malte 1404 den Evangelist Lukas mit einer Bügelbrille, welche sich dieser vor seine Augen hält. In der Mitte des Bügels befindet sich eine Öse, die wahrscheinlich als Haltevorrichtung für eine schützende Kette diente, welche ein Herabfallen der Bügelbrille verhindern sollte. 1445 erfand Johann Gutenberg den Buchdruck - die Nachfrage nach Lesehilfen stieg von Um das mühsame Vorhalten der Brille überflüssig zu machen, wurde in weiterer Folge der Bügel mit Einschlitzungen versehen. Dies machte den Steg elastischer und ermöglichte einen behelfsmäßigen Sitz der Brille auf der Nase. |
DIE MÜTZENBRILLE
Eine einfache Hilfskonstruktion erlaubte es, die Brille an einer tief sitzenden Mütze zu befestigen. Diese originelle Art der Sehhilfe verwendete man vom 15. bis in das 18. Jahrhundert. Als Material diente zumeist Eisen.
Die Mützenbrille - auch Stirnfortsatzbrille genannt - wurde hauptsächlich von Frauen und Personen des höheren Standes getragen: Sie mußten beim Grüßen die Kopfbedeckung fast nie abnehmen. |
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DAS MONOKEL
Das Monokel findet man, als Weiterentwicklung des Lesesteins, bereits im 14. Jahrhundert . Anfangs wurde es noch mit der Hand über den Text, bzw. vor das Auge gehalten. Den gravierenden Vorteil des Einklemmens zwischen Wange und Oberlid erkannte und nutzte man erst im 16. Jahrhundert. Richtige Verbreitung erlangte es aber erst um 1800. Zu dieser Zeit setzten sich Sehhilfen auch in der bürgerlichen Mittelschicht durch. Das Monokel wurde nun zu einer echten Modeerscheinung. Es wurde vielfach als Ausdrucksmittel der eigenen Persönlichkeit benutzt: Zur Selbstdarstellung auffallend vor das Auge geklemmt, konnte man es schnell in die Westentasche gleiten lassen.
Ärzte sagten dem Monokel lange eine gesundheitsschädliche Wirkung nach, da man zu seiner Benutzung das Gesicht verzerren mußte.
DIE STIRNREIFENBRILLE
Diese innovative Konstruktion wurde im 16. Jahrhundert entwickelt. Sie bestand aus einem um den Kopf bzw. um die Stirn gelegten Metallreifen, von dem die Gläser herabhingen. 1797 konstruierte der englische Optiker Dudley Adams eine verbesserte Version der Stirnreifenbrille. Er beachtete bereits die so wichtige Pupillendistanz! Bei seinem Patent wurden die Ohren schon als Brillenhalt verwendet. |
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DIE GELENKBRILLE
Im 16. Jahrhundert wurde, parallel zur Stirnreifenbrille, auch eine verbesserte Nietbrille erfunden, bei der man die starre Verbindung der beiden Glasfassungen durch ein Scharniergelenk ersetzte.
DER ZWICKER
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Das 16. Jahrhundert brachte eine weitere, damals weit verbreitete, Sehhilfe hervor: Der Zwicker. Anfänglich wurden die beiden Glasfassungen mit einem Federbügel aus Eisen oder Kupfer verbunden. Später wurden die Glasfassungen mit einem Lederpolster versehen um Druckstellen auf der Nase zu minimieren. Die schäbig gewordenen Lederpolster konnte man, bei den teilweise sehr anspruchsvollen Konstruktionen, bequem gegen neue austauschen. Die Hochblüte der Zwicker währte vom 17. bis in das 19. Jahrhundert. |
DIE FADENBRILLE
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Der extrem unangenehme Druck auf die Nase erwies sich als großer Nachteil der Zwicker. Ende des 16. Jahrhunderts kam man auf den Gedanken, die Brille mit einem Faden um die Ohren zu befestigen. Diese, auch Pindtbrillen (von binden) genannten, Lesehilfen hatten ihren wahrscheinlichen Ursprung in Spanien. Zum ersten Mal in der Entstehungsgeschichte der Brille waren einerseits bei ihrer Benutzung die Hände frei, andererseits ein relativer Halt ohne Druck auf der Nase gegeben.
Spanische Missionare dürften die Fadenbrille nach Asien exportiert haben. Teilweise wird sie dort noch heute verwendet! |
DAS LORGNON
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Das Lorgnon findet noch heute mit einem Stiel zum Vorhalten Verwendung. Seinen einstigen Ursprung fand es wohl als umgekehrt gehaltene Nietbrille. Dieser schon im 15. Jahrhundert auftauchende Vorläufer des Lorgnon wurde "Scherenbrille" genannt. Im 18. Jahrhundert eroberte das Lorgnon den deutschsprachigen Raum. An der Wende zum 19. Jahrhundert erfreute es sich großer Beliebtheit in Frankreich. In dieser Zeit wurde der Scherenbrille seitlich ein Stiel hinzugefügt. Eine wesentliche technische Innovation stellte das zusammenlegbare Lorgnon dar. Die beiden Brillengläser konnten zusammengelegt werden und bei Bedarf mittels einer Feder geöffnet werden. Das Lorgnon wurde zumeist von Damen benutzt - wir kennen wertvolle, verzierte Variationen. |
DIE OHRENBRILLE
Anfang des 18. Jahrhunderts entstanden Brillen mit seitlich angebrachten![]() Die Entwicklung einer Brille, die hinter dem Ohr befestigt wird, benötigte 500 Jahre! Um den Tragekomfort zu steigern, entwickelte man immer besser konstruierte Bügel und angenehmere Nasenauflagen. Im Laufe des 20. Jahrhunderts wurden immer wieder neue Werkstoffe gefunden - in den 40ern eroberten Kunststoffe die Fassungsindustrie, Kunstoffgläser minimierten das Brillengewicht. In den 80ern hielt das Leichtmetall Titan Einzug. Brillen unter 15 Gramm sind heute keine Seltenheit mehr! |
1535 wurde die erste Brillenmacherzunft in Nürnberg gegründet. Etwa um 1560 entstand obige Abbildung des Holzschnittes vom Brillenmacher. Niemand geringerer als Hans Sachs dichtete den Reim, in dem er von "klar und lichten Brillen" spricht.